Viele Unternehmen reagieren erst auf drohende Unternehmenskrisen, wenn es schon zu spät ist. Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen soll hier Abhilfe schaffen. Besonders für KMU dürfte die Einrichtung eines Überwachungssystems zur Vorbeugung von Krisen eine Herausforderung werden.
Ende vergangenen Jahres wurde das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) in Windeseile verabschiedet. Das StaRUG unterstützt finanzwirtschaftliche Einigungen für drohend zahlungsunfähige Unternehmen mit intakten Geschäftsmodellen. Die diesbezüglichen Regelungen werden derzeit ausführlich diskutiert.
Unabhängig von der Unternehmensgröße sieht das StaRUG aber darüber hinaus zusätzliche Pflichten für Geschäftsführer, Berater und Prüfer vor, die bislang in der Medienberichterstattung und in Fachpublikationen nur beiläufig erwähnt wurden, aber von großer Relevanz sind. Demnach sind nach § 1 StaRUG Geschäftsführer juristischer Personen verpflichtet, Frühwarnsysteme und ein Krisenmanagement einzurichten sowie zeitig die Gesellschafter und Gremien zur „Befassung“ aufzufordern. Diese Regelungen ergänzen die Haftung der Geschäftsführer gemäß § 43 GmbHG. Weiter verpflichtet § 102 StaRUG die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die Unternehmensorgane aktiv auf drohende Insolvenzrisiken und ihre Pflichten hinzuweisen. Bei Verstößen gegen diese Vorschriften drohen im Fall einer Insolvenz die Anfechtung durch kritische Insolvenzverwalter sowie die Organhaftung.
Vorteile von Frühwarnsystemen
Diese Regelungen wecken Zweifel an der Praxiskenntnis der Gesetzgebenden. So sind bspw. Planungen über 24 Monate im kurzfristigen Projektgeschäft per se Makulatur. Durchaus positiv am StaRUG zu bewerten ist allerdings die Aufforderung, systematisch das eigene Geschäftsmodell und dessen Zukunftsaussichten zu durchdenken.
In großen Unternehmen sind – aufgrund des Einwirkens von Banken und Versicherungen – anspruchsvolle „Frühwarnsysteme der 4. Generation“ üblich. Diese beinhalten die Analyse von Indikatoren und Szenario-Rechnungen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Resilienz des Unternehmens zu stärken. Externe Schocks können somit leichter verkraftet werden und das Unternehmen lernt, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Die Grundlage dafür sind das vorausschauende Agieren mithilfe von Prognosen und Planungen, die Ableitung von strategischen Maßnahmen aus den Erkenntnissen sowie notwendige materielle Reserven.
Bitte keine Vorwärtsbuchhaltung
Bei der Analyse möglicher Risiken helfen analytische Modelle, wie PESTEL-Analysen oder das FiRE-Modell. Mit der PESTEL-Analyse lässt sich anhand von verschiedenen Faktoren wie Trends, technischem Fortschritt, der Gesetzgebung, der Wirtschafts- und Umweltentwicklung sowie der sich abzeichnenden sozialen Entwicklung das Umfeld eines Unternehmens analysieren. Aus den Einflussfaktoren werden Szenarien und Planungen abgeleitet.
Das FiRE-Modell hilft bei der Entwicklung von Resilienz. Es berücksichtigt zum einen die Berührungspunkte der Organisation mit ihrem Umfeld und zum anderen die Merkmale der Widerstandsfähigkeit dieser Organisation, wie z.B. intuitives Führen oder die Art, wie Einsichten gewonnen werden.
Zwar sind solche komplexen Modelle für KMU ungeeignet, aber eine konkrete Einnahmen- und Ausgabenvorschau für das laufende Jahr sowie vereinfacht für das Folgejahr ist sinnvoll und lässt sich leicht umsetzen. Das gilt auch für eine Risikobetrachtung mit den entsprechenden Schadens- und Eintrittswahrscheinlichkeiten. Das Resultat sollte mehr sein als eine reine „Vorwärtsbuchhaltung“, die das Gegebene fortschreibt. Vielmehr lassen sich aus den Erkenntnissen Maßnahmen ableiten und umsetzen, die die erfolgreiche Zukunft des Unternehmens sichern.
Risikofaktor Untätigkeit
Unternehmer können aber nicht jedes eventuelle Risiko vorhersehen und nicht jeder möglichen Chance nachgehen. Vielmehr sollten sie eine Verdichtung der Signale abwarten sowie über die Befragung von Experten und die Arbeit in Verbänden usw. eigene Eindrücke verifizieren. Eine große Herausforderung für Unternehmen ist dabei regelmäßig das Filtern der Informationen. Erst mit genügend Gewissheit werden Aktionen ausgelöst und Investitionen vorgenommen. Dabei sind Fehler nicht ausgeschlossen. Wer jedoch untätig bleibt, läuft Gefahr unterzugehen.
robert.simon1@gmx.net