Ohne Kontrollverlust auf Wachstumskurs

Beitrag von: Sébastien Neiss
25. Januar 2021

Mehrheitsposition behalten, Expansionskapital bekommen: Gerade für Familienunternehmen haben Minderheitsbeteiligungen Vorteile. Wie sieht die Rolle eines Minderheitsinvestors aus? Frankreich macht es vor.

Die Vorteile von Minderheitsbeteiligungen für inhabergeführte Unternehmen liegen auf der Hand. Mit zusätzlichem Kapital und Expertise können Unternehmen Investitions- und Wachstumsprojekte schneller umsetzen, ohne dass der Inhaber die Kontrolle verliert. Gerade für Gründer oder Eigentümer von traditionellen Familienunternehmen ist das ein wichtiger Aspekt, wenn sie ihr Lebenswerk weiter gestalten und nicht aus der Hand geben wollen. Außerdem eignet sich das Modell auch für Gesellschafterbereinigungen: Im Fall des Unternehmens Aplix etwa, einem Hersteller von Klettverschlusssystemen, ist die Familie Billarant seit der Gründung im Jahr 1958 Haupteigentümerin, gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Teilhaber. Zwischen 2006 und 2018 hat eine Investmentgesellschaft die Anteile mehrerer dieser Parteien übernommen und auch das Management beteiligt. Auf diese Weise behielt die Familie ihre Mehrheitsposition, ohne die übrigen Minderheitsgesellschafter auszahlen zu müssen. Stattdessen konnte sie 2006 das Kapital für die Unternehmensexpansion nach China sowie eine Akquisition in Brasilien im Jahr 2012 einsetzen.

Wertbeitrag leisten

Bei aller Attraktivität des Modells sollten Unternehmer sorgsam prüfen, wen sie sich als künftigen Strategiepartner in den Beirat holen. Die meisten Finanzinvestoren sind für Minderheitsbeteiligungen zwar grundsätzlich offen. Sie sehen diese aber oft nur als zweitbeste Lösung für sich, weil sie das Ruder nicht allein in der Hand haben und bei der Wahl des Ausstiegszeitpunkts nicht unabhängig sind. Maxime eines Minderheitsinvestors sollte allerdings sein, sich aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten und keine Kontrolle zu suchen. Vielmehr sollte er im Sinne einer gedeihlichen Zusammenarbeit die Inhaber und Führungskräfte dort beraten, wo er einen Wertbeitrag leisten kann.

Vorbild Frankreich

Gerade der deutsche Markt ist sehr Buy-out-orientiert, während in Frankreich Minderheiten als Beteiligungsmodell seit Jahrzehnten üblich und viel weiter verbreitet sind. Insbesondere französische Bankgruppen haben in ihrem Heimatmarkt rund 10 Mrd. EUR Eigenkapital in Minderheitsbeteiligungen an kleinen und mittelständischen Unternehmen investiert. Eine solche Spezialisierung hat Vorteile. Investoren, die Minderheiten als ihr natürliches Habitat betrachten, müssen nicht gegen ihre Natur arbeiten. Sie sind es gewohnt, bei der Strukturierung der Transaktion und später in der Gesellschafterversammlung auf ihr Gegenüber einzugehen. Das ermöglicht kreative Lösungen, angepasst an die jeweilige Situation. So hat sich beispielsweise Crédit Mutuel Equity (CME) im Jahr 2001 an Manuloc, einem auf Gabelstapler und andere Logistikfahrzeuge spezialisierten Fahrzeugvermieter, zur Finanzierung einer Übernahme beteiligt. 2013 erwarb CME erneut Anteile an Manuloc und wurde so zum einzigen Finanzinvestor im Gesellschafterkreis. Nach kontinuierlichem Wachstum durch weitere Zukäufe reinvestierte CME 2017 erneut im Zuge eines Owner Buy-outs und ist aktuell weiterhin als einziger Finanzinvestor beteiligt – neben der Gründerfamilie, die unverändert die Mehrheit hält.

Faktor Zeit

Zeit spielt bei Finanzinvestoren eine wichtige Rolle: Sucht der Unternehmer einen Partner auf Zeit oder geduldiges Kapital? Ersteres kann jeder Private-Equity-Fonds bieten, ist dann aber in der Regel nur fünf bis sieben Jahre mit an Bord. Bei dem oben beschriebenen französischen Beteiligungsmodell stammt das Kapital aus der Bankbilanz. Es gibt keine Fondsstruktur und keine externen Investoren, deren Zeit- und Renditeanforderungen den Beteiligungshorizont prägen. Der Minderheitsgesellschafter kann dem Unternehmen somit auch in Durststrecken zur Seite stehen, wenn er von dessen langfristigem Erfolg überzeugt ist.

In dieser Gesellschafterkonstellation gibt es keinen vorgegebenen Zeitpunkt für einen sogenannten Exit. Daher können Änderungen in der Gesellschafter- oder Managementstruktur einen solchen Anlass liefern, sollte die Chemie nicht mehr stimmen oder Uneinigkeit über die Strategie herrschen. Es können sich aber auch neue langfristig stabile Beziehungen bilden, wie das Beispiel Bugal beweist: Das Unternehmen stellt seit mehr als 40 Jahren Aluminiumgeländer her. In den vergangenen 25 Jahren unterstützte ein Minderheitsgesellschafter den Gründer Benoit Eraud bei nicht weniger als fünf Owner Buy-outs in Folge. Im Zuge dessen hat das Management seine Beteiligung immer weiter erhöht und hält heute gemeinsam mit dem Gründer die Mehrheit am Unternehmen. Bugal zeigt, dass eine Minderheitsbeteiligung nicht allein eine finanzielle Entscheidung ist. Denn der strategische Partner investiert sowohl Kapital in das Unternehmen als auch Vertrauen in die Gesellschafter und Geschäftsführer, seien das die Inhaber oder externe Manager.

Unternehmensinhaber sollten daher darauf achten, dass ein Minderheitsinvestor sich die Zeit nimmt, dieses Vertrauen aufzubauen. So sind sich alle Gesellschafter über ihre Interessen im Klaren und können sich darauf verlassen, dass diese langfristig im Einklang stehen.

Illustration: 123rf.com/alexmilos

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